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Leute mit Musik

CHRISTIAN FRIEDEL |

WOODS OF BIRNAM


Musikalische Spurensuche
im Globe Theater Neuss


Christian Friedel singt, rezitiert und kümmert sich selbst um die Bühnentechnik wie den Vernebler | © Christian Krey

In Searching For William In Concert waren von Vogelgezwitscher bis Heavy Metal viele Soundeffekte und Musikrichtungen vertreten, die der Mannigfaltigkeit des Shakespeareschen Universums durchaus gerecht wurden. Der Schauspieler, Sänger und Regisseur Christian Friedel gründete 2011 mit Mitgliedern der Band Polarkreis 18 die Gruppe Woods of Birnam. Mit der machte er 2012 Furore, als er am Staatsschauspiel Dresden mit ihnen in der Tragödie Hamlet spielte, die mit Unterstützung von moderner Musik vermittelt wurde, mit Friedel in der Titelrolle. Von Hamlet war im ersten Teil von Searching For William In Concert auch einiges zu hören und zu sehen. Nachdem das Konzert mit zwei Sonetten eher ruhig begonnen hatte, befand Hamlet, dass etwas faul wäre im Staate Dänemark; die Band spielte "Something's rotten", und Philipp Makolies (Gitarre), Uwe Pasora (Bass), Ludwig Bauer (Keyboard) und Christian Grochau (Schagzeug) legten mächtig los. Da schwang ein von Angst gesteuerter Volkszorn und eine Fremdenfeindlichkeit mit, wie wir ihn von derzeitigen Protestbewegungen her kennen, und da die Band in Dresden lebt, war das natürlich kein Zufall.

Im "Spade Song", dem Spatenlied, sangen die Totengräber pietätlos fröhlich und gaben Hamlet (mal wieder) Anlass, sich Gedanken über die Sterblichkeit zu machen. Danach begegnete er dem Geist seines Vaters, was im Original eindeutig vor der Totengräberszene ist, aber das Konzert folgte seiner eigenen Dramaturgie. Mit "I'll Call Thee Hamlet" setzte er sich mit dem Geist auseinander und erfuhr, dass sein Vater ermordet wurde. Die Band begleitete diese Enthüllung mit entsprechender Dramatik und war so laut und brachial, dass sie es mit Rammstein hätte aufnehmen können. Das stand im diametralen Gegensatz zum nächsten Lied, dem "Willow Song", dem todtraurigen Gesang von Desdemona, kurz bevor sie von Othello umgebracht wird. Friedel ist ein stimmgewaltiger und facettenreicher Sänger, der auch sehr hohe Töne erreicht, und wurde bei dem "Weidenlied" gesanglich von Ludwig Bauer begleitet, der auch einen großen Stimmumfang besitzt. Nachdem uns dann der Luftgeist Ariel aus Der Sturm und Puck aus Ein Sommernachtstraum in die Märchenwelt entführt hatten, ging es in die für die Künstler wohlverdiente Pause.

Das Programm war übrigens eine gekürzte Fassung der Dresdner Originalinszenierung, weil das Globe in Neuss dem Theater der Shakespearezeit nachempfunden ist und nicht über eine so elaborierte Bühnentechnik verfügt, wie Woods of Birnam sie gebraucht hätte. Es gingen Videoeinspielungen und die Übertitelungen sowohl in englischer wie auch in deutscher Sprache verloren, letzteres fing Friedel auf, indem er die wichtigsten Zitate in beiden Sprachen präsentierte. Ansonsten war es trotzdem ein ausgefeiltes Technikspektakel mit einer elaborierten Licht- und Tonregie und Unmengen von Theaternebel. Den Nebel versprühte Friedel gelegentlich selbst, der auch einen Teil der Tontechnik und den Synthesizer steuerte, der Beweis, dass Männer und Multitasking einander nicht ausschließen müssen.

*

Nach der Pause ging es hochdramatisch weiter. Dieses Mal trieben auf Tonebene drei Hexen ihr Unwesen und stürzten den Königsmörder Macbeth ins Verderben. Sie hatten seinen krankhaften Ehrgeiz durch Prophezeiungen angestachelt, die wahr wurden, aber anders als gedacht. So glaubte er, dass ihm nichts passieren könne, bevor sich der Wald von Birnam den Hügel Dunsinane hinaufbewege, was er für unmöglich hielt. Da der Hügel kaum Schutz bot, verschanzte sich die angreifende Armee hinter Ästen und Zweigen aus dem Birnam Wald, so dass es tatsächlich aussah, als ob der Wald auf Wanderschaft wäre. Auf diese Geschichte bezieht sich auch der Name der Band. Es gab eine Steigerung an Dramatik, Ton- und Lichttechnik, Musik und Schauspielerei. Grüne Lichtsäulen stellten den Wald von Birnam dar, aus der Falltür erschien eine Hexenhand, die Macbeth ein Kostüm und eine Perücke reichte, und er dann Lady Macbeth darstellte, die dem Wahnsinn verfallen war. Mit einer großen Taschenlampe ging Macbeth auf die Suche, wohl als Bezug zum „searching“ im Titel. Er lief unruhig auf der Bühne herum und beleuchtete von unten sein eigenes Gesicht, was sehr spukhaft aussah und einen Macbeth zeigte, der sich den Konsequenzen seiner Untaten stellen musste. Nach zwei ruhigeren Nummern gab es frenetischem Applaus, eine Zugabe und damit war das intensive Erlebnis zu Ende.
Helga Fitzner - 1. Juli 2019
ID 11538
Christian Friedel ist dem Theaterpublikum längst kein Unbekannter. U.a. spielt er seit 2017 im Düsseldorfer Schauspielhaus die Hauptrolle in Robert Wilsons Der Sandmann, und ebenfalls dort in der in Dresden uraufgeführten Hamlet-Inszenierung, von der wir Kostproben im Globe sehen konnten. Schon 2009 gewann der Kinofilm Das weiße Band von Michael Haneke die Goldene Palme in Cannes, in dem Friedel den Dorfschullehrer spielte, 2015 war er als Hitler-Attentäter Elser im Kino zu sehen und 2017 in der Fernsehserie Babylon Berlin, um nur ein paar wenige Stationen seiner Karriere zu nennen.

Vor der Aufführung hatte Friedel der Shakespeare-Expertin Vanessa Schormann vor Publikum ein Interview gegeben. Er erklärte, dass Woods of Birnam gegründet wurde, um eine andere Art zu entwickeln, mit Shakespeare umzugehen. Die Band verwendet und mischt die unterschiedlichsten Stilrichtungen der Pop- und Rockmusik und macht die Stücke emotional erfahrbar. Friedel hat keine Angst, Dinge auszuprobieren und versucht eine Mischung mystischer Elemente: „Welche Dimension steckt in den Texten, was sagen diese über uns Menschen aus?“ Er bewundert den Reichtum der Stücke. Nachdem er Hamlet schon 120 gespielt hätte, entdecke er immer noch neue Aspekte. „Shakespeare ist ein Geschenk für jeden Schauspieler.“ Christian Friedel und Woods of Birnam tun das ihre, um dieses kulturelle Erbe in unserer Zeit lebendig zu halten. Im Jahr 2020 wird Friedel im Staatsschauspiel Dresden Regie bei Macbeth führen, und Woods of Birnam werden wieder dabei sei.

[hf]


http://www.christianfriedel.de/

http://www.woodsofbirnam.com


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